Fürstenwalde diskutiert Künstliche Intelligenz

Künstliche Intelligenz (KI) hat viele Gesichter – einen Einblick in brandenburgische Forschungsprojekte konnten die rund 60 Teilnehmenden am 21. September 2023 bei der Veranstaltung „Wissenschaft trifft Gesellschaft“ gewinnen. Unter dem Titel „KI – Fluch oder Segen“ stellten eine Referentin und 3 Referenten ihre KI-Themen aus Wissenschaft oder Praxis vor.

Den Anfang machte Harald Wolf von den Stadtwerken Frankfurt (Oder). In seinem Vortrag zur KI-gestützten Einsatzplanung für Kraftwerke und deren Wärmeplanung berichtete er, dass man schon seit einigen Jahren mit KI erfolgreich arbeite. Einzelne Vorgänge und Abläufe seien in seinem Bereich äußerst komplex, KI helfe dabei, diese Komplexität besser zu koordinieren und zu beherrschen. „Für uns ist sie deshalb eher Segen als Fluch“, sagte der Ingenieur.

Ähnlich argumentierte Prof. Dr. Jörg Reiff-Stephan von der Technischen Hochschule Wildau. „Wichtig ist, dass man sich über den Nutzen von KI im Klaren ist“, wiederholte er mehrmals. Seit rund 100 Jahren ist das Thema in der Wissenschaft und Gesellschaft präsent. Filme wie „Metropolis“ von Fritz Lang, 1923, sind erste Auseinandersetzungen mit der Mensch-Maschine-Beziehung. ChatBots wurden bereits in den 1960er Jahren entwickelt. Dem folgten verschiedene digitale Anwendungen, die Experten auf ihren Fachgebieten überlegen waren z.B. DeepBlue von IBM schlägt 1996 den damaligen Weltmeister Garry Kasparov im Schach. Der Hype um ChatGPT bescherte künstlicher Intelligenz äußerst viel Aufmerksamkeit, dabei wird vernachlässigt, dass sie die Gesellschaft schon lange umgibt. Beispiele hierfür seien die T9-Tasteneinstellung auf Handys, die eingegebene Buchstabenkombinationen zu Wörtern formt oder Onlinehilfen wie deepL, die Texte in verschiedene Sprachen binnen weniger Minuten übersetzen kann.

Prof. Dr. Britta Schneider und Dr. Silvan Pollozek beleuchteten in ihren Forschungsprojekten auch kritische Aspekte vom Einsatz künstlicher Intelligenz. Die Sprachprofessorin der Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder) beschäftigt sich mit den Akteuren, die KI-Anwendungen programmieren. In Interviews erfragt sie, wie diese Menschen Sprache verstehen und diese anwenden. Was setzt sich als Norm letztlich durch? Welchen Einfluss nehmen Programmiersprachen auf gesprochene und geschriebene Sprache?

Silvan Pollozek von der European New School of Digital Studies (ENS)in Slubice beleuchtete hingegen Fragen zum Einsatz von KI bei der Datenerfassung zu Migration auf nationaler und EU-Ebene. Er blickte kritisch auf die Erfassung der Daten zu Migratinnen und Migranten, wobei z. B. Fingerabdrücke von Kindern ab 6 Jahren erfasst und in hiesigen Datenbanken gespeichert werden. In der Wissenschaft existiert bereits der Begriff Crimmigration, der die Vermengung von Irregularität, Asyl und Kriminalität beschreibt. Da Datenbanken von Polizeibehörden mit jenen von Asylbehörden vermengt werden und auch in unterschiedlicher Qualität erfasst und gespeichert werden, können Menschen bspw. bei Asylanträgen Schwierigkeiten bekommen. Hier fehlt es an Regularien, die die Rechte von Nicht-EU-Bürgern bezogen auf ihre Daten gleichfalls sichern wie jene von EU-Bürgern.

 

Fotos: Florian Reischauer

Annika Bischof
Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder)
Lisa Marrold-Schwember
Technische Hochschule Wildau